Erschienen am 15.12.2020, Naumburger Tageblatt; Bild ohne Titelbild: Biel
NAUMBURG Für Schulleiterin Kathrin Wahlbuhl-Nitsche war es am Donnerstag ein Schock. Nach einem Labor-bestätigten Corona-Fall in der 7 b ihrer Freien Schule wurden diese Klasse und das gesamte Lehrerkollegium einem Corona-Schnelltest unterzogen. Das unerwartete Ergebnis: 35 von 42 Tests fielen positiv aus, unter anderem auch der der Schulleiterin. Als Konsequenz wurde die „Jan Hus“ geschlossen. Und die Besorgnis wurde nicht kleiner, als die Sanitäter vor Ort mitteilten, dass die Schnelltests normalerweise sehr verlässlich seien.
Wie sich nun herausgestellt hat, traf dies hier aber nicht zu. Das Gesundheitsamt bestätigte am gestrigen Montag: Alle (!) positiven Schnelltest-Ergebnisse wurden durch den verlässlicheren PCR-Test nicht bestätigt. Das heißt, keiner der am Donnerstag getesteten Jan-Hus-Schüler oder -Lehrer ist mit dem Virus infiziert. Was für den Einzelnen natürlich eine gute Nachricht ist, wirft im Allgemeinen Fragen auf. Zumal in den vergangenen Tagen auch aus der Bad Kösener Bergschule und dem Naumburger Domgymnasium Ähnliches berichtete wurde. Auch dort kam es zu – nicht wenigen – Fällen, bei denen ein positives Schnelltest-Ergebnis nicht bestätigt wurde.
Wie viele Fälle dies genau sind, darüber konnte das Gesundheitsamt des Burgenlandkreises am gestrigen Montag auf Anfrage von Naumburger Tageblatt/MZ keine Auskunft geben. Eine solche Statistik gebe es nicht und sei sehr aufwendig zu erstellen. Amtsärztin Ina Schmidt: „Die Menge an fehlerhaften Schnelltests hat uns selber überrascht. Wir wissen zwar, dass die Sensitivität eingeschränkt ist, haben aber trotzdem bisher gute Erfahrung damit gemacht. Auch im Labor in Magdeburg hat man dafür keine Erklärung, womöglich war eine Charge der Tests mangelhaft.“
Wie Ina Schmidt des Weiteren erklärte, sind die Schnelltests vorrangig dazu gedacht, die Labore zu entlasten. „Wir sind wirklich froh, dass wir sie haben. Denn ein negativer Test ist es dann auch mit hoher Wahrscheinlichkeit im PCR-Verfahren. Das Risiko der Falsch-Positiven besteht hingegen, weshalb ja im Anschluss immer auch ein PCR-Test gemacht wird.“ Da das Verfahren noch relativ neu sei, würde man aber von Tag zu Tag noch dazulernen. Schmidt bestätigte, dass es auch am Domgymnasium und an der Bad Kösener Bergschule zu falsch-positiven Ergebnissen kam, „aber nicht in der Dimension der Freien Schule“.
Dass die „Jan Hus“ als Konsequenz geschlossen werden musste, bedauert die Amtsärztin. „Unser Ziel ist es ja, so viel Unterricht zu ermöglichen, wie es geht.“ Man müsse aber Infektionsketten aufspüren und brechen. „Und wenn jetzt über die Schnelltests geschimpft wird, muss man ja fragen, was wir ohne sie machen würden. Da wären wir nur vom Labor abhängig, was eben dauert.“ Und die Schulen wären wohl vorsorglich trotzdem dicht.
Bei Schülern, Lehrern und vor allem Eltern, die in direkter Betroffenheit oder per Buschfunk in Naumburg oder Bad Kösen von der Problematik gehört hatten, lösten die falsch-positiven Ergebnisse Unsicherheit und Fragen aus. Verständlich. Traurig hingegen, dass diejenigen, die bereits zuvor die Pandemie geleugnet oder verharmlost hatten, den Vorfall als weiteres Wasser auf ihre Mühlen aufnahmen. Dies führte auch dazu, dass von „Hobby-Virologen“ zum Teil falsche Informationen in Umlauf gebracht wurden.
Für Kathrin Wahlbuhl-Nitsche hatten die vergangenen, sehr aufregenden Tage aber auch positive Momente. So erkämpfte sie durch eine Vielzahl von Telefonaten, dass die meisten ihrer „Jan-Hus“-Schüler gestern aus der Quarantäne entlassen wurden. Diese hatte man am Freitag nach der Flut der positiven Schnelltests verhängt. Bis zum morgigen Mittwoch in Quarantäne sind nun nur noch die Mädchen und Jungen der 7 b. Das war die Klasse, in der es den ursprünglichen, laborbestätigten Fall gegeben hatte.
Zudem erlebte die Leiterin der Freien Schule eine Welle an Solidarität. „Unsere Schüler, Eltern und Lehrer haben sich vorbildlich und verständnisvoll verhalten. Mit unserem Schulträger, in Person von Herrn Mischke, gab es eine extrem gute Zusammenarbeit. Dafür bin ich sehr dankbar,“ so Wahlbuhl-Nitsche. Sie selbst hat auch viele persönliche Hilfsangebote bekommen. Denn als es hieß, dass sie mit dem Virus infiziert ist, stand plötzlich die Frage im Raum, wer sich um ihre in die Jahre gekommenen Eltern kümmert, während sie in Quarantäne ist. „Das hat sich ja nun erledigt. Trotzdem war ich sehr gerührt.“
Harald Boltze